Erster interreligiöser Trainingskurs für gewaltfreies Handeln beendet
29. Mrz 2006
P R E S S E M I T T E I L U N G
Am Ende des Dialogs beginnt der Dialog
Erster interreligiöser Trainingskurs für gewaltfreies Handeln beendet
In Petershagen bei Minden / Westfalen ging kürzlich der deutschlandweit erste christlich-islamische Trainingskurs in gewaltfreier Konfliktbearbeitung nach fünf verlängerten Wochenenden innerhalb eines halben Jahres zu Ende. Konflikt Gefahr oder Chance? war das Motto dieser Fortbildung, an der 14 Personen (jeweils zur Hälfte mit muslimischen und mit christlichen Wurzeln) teilnahmen.
Thematisch ging es in dem Kurs u.a. um die Verständigung über Kernbegriffe wie Gewalt, Gewaltfreiheit, Gender, Konflikt und Frieden vor dem Hintergrund der je eigenen Religion. In praktischen Übungen arbeiteten die Teilnehmer/innen an dem Konfliktpotential, das in der unterschiedlichen Weise liegt, wie Christ/innen und Muslim/innen untereinander in Deutschland kommunizieren. Wir haben gelernt, dass interreligiöses Denken gelingen kann, wenn wir uns auf der Sachebene menschlich begegnen, bringt Sultan Balkaya, religionspädagogische Fachkraft aus Wuppertal eine Lernerfahrung auf den Punkt, die viele der Teilnehmenden gemacht haben.
Insgesamt wurde im Laufe des Kurses deutlich, dass mindestens zweierlei nötig ist, um auftretende Probleme (nicht nur) zwischen Christ/innen und Muslim/innen gemeinsam und friedenstiftend anzugehen: Einerseits ein größeres Wissen über die jeweils andere Religion, als dies auf beiden Seiten meist vorhanden ist; und andererseits ein gewisses Maß an Empathie, um sich in die andere Seite hinein zu versetzen. Nicht zuletzt um letzteres einzuüben, fasteten auch einige der christlichen Teilnehmenden an dem Kurs-Wochenende, das während des muslimischen Fastenmonats Ramadan stattfand. Wir trafen uns vor dem Morgengrauen zu einer gemeinsamen Stärkung, um den langen Tag ohne Essen und Trinken auszuhalten. Der Austausch zu dieser Zeit war besonders intensiv und brachte uns viele Erkenntnisse muslimischer Glaubensgrundsätze (Christoph von Bodelschwingh, Pastor in Witten). Und Balkis Ferber aus Neuwied (Mitarbeiterin des christlichen Friedensdienstes EIRENE) ergänzt: Fasten verbindet.
Eva-Maria Willkomm, eine der beiden Kursleiterinnen, erläutert rückblickend: Vor allem hat mich die Erfahrung sehr nachdenklich gemacht, dass sich auch in unserer gemeinsamen Kursarbeit das gesellschaftliche Machtgefälle widerspiegelte, das zwischen der christlich geprägten Mehrheit und der muslimischen Minderheit besteht auch wenn dies gar nicht gewollt oder beabsichtigt war. Der Kurs bot Gelegenheit, mit dieser gesellschaftlichen Realität umzugehen. Insgesamt sei deutlich zu erkennen, dass die gegenseitige Wertschätzung von Christ/innen und Muslim/innen gewachsen ist. Nicht, dass wir nun gar nicht mehr in Schubladen denken aber die Schubladen sind größer geworden, d.h. der Horizont hat sich geweitet, sagt Gabriele Radeke (Fair-Handels-Beraterin, Stuttgart).
Hilal Kurt, die muslimische Kursleiterin resümiert: Es hat sich bestätigt, dass Interreligiosität eine wichtige Grundvoraussetzung für Menschen unterschiedlichen Glaubens ist, um Konflikte im gesellschaftlichen Zusammenleben gemeinsam zu bearbeiten. Der Kurs hat viele gesellschaftliche und theologische Fragen aufgeworfen, die bis zu einem gewissen Grad behandelt werden konnten. Unter anderem durch Referentinnen, die wichtige Grundbausteine für religiöse Verständigung und deren historische bzw. gesellschaftliche Auswirkungen gelegt haben. Ich wünsche mir, dass jede und jeder Teilnehmer/in die Grundbausteine als Motivation für sich sieht, um in ihren Lebensbereichen an diesen Themen weiter zu arbeiten. Die Fortbildung wurde organisiert und verantwortet vom christlich geprägten Verein Oekumenischer Dienst Schalomdiakonat (OeD) und dem muslimischen Institut für interreligiöse Pädagogik und Didaktik (IPD). Sie wurde durch das Bundesministerium des Innern finanziell gefördert.
Der OeD bietet seit zwölf Jahren regelmäßig Qualifizierungsmaßnahmen für den gewaltfreien, konstruktiven Umgang mit Konflikten und Gewalt an. Darüber hinaus begleitet er Friedensfachkräfte, die in verschiedenen Krisenregionen der Welt im Einsatz sind. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Kurse liegt auf der Verbindung von fachlicher Kompetenz und einer politisch verstandenen Spiritualität der Gewaltfreiheit.
Das IPD entwickelt Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien für den Unterricht mit muslimischen Kindern und Jugendlichen. Darüber hinaus bildet es religionspädagogische Fachkräfte im Islam aus. Die Kurspläne gehen über die konfessionelle Gebundenheit hinaus und sind am interreligiösen Denken und Lernen orientiert.
Ansprechpartnerinnen: Eva Maria Willkomm (OeD), Tel.: 05694-8033 (Do, 23. März, 8 - 11 Uhr)
Hilal Kurt (IPD), Tel.: 0221-368 52 45 oder 0221-368 52 34, mailto: info@ipd-koeln.de
Bei Bedarf kann ein Foto angefordert werden bei Michael Steiner, Tel.: 0228 - 935 90 77, mailto: michael.steiner@schalomdiakonat.de